Christian Bilgers kinetische Skulpturen nehmen da für sich ein, wo das Zusammenwirken der aufeinander abgestimmten Einzelelemente nicht überfrachtet wird. Bilger schafft unter anderem frei im Raum stehende Bodenstücke, die auf Sockelplatten angeordnet, modellhaft Situationen und Abläufe darstellen. Zwei Arbeiten seien hier besonders betrachtet.
Im ersten Fall ragen von einem ca. 1 qm großen Sockel drei unterschiedlich hohe Stelen mit quadratischem Grundriß auf, in einer Dreiecksposition im Randbereich postiert. Ihr pyramidaler oberer Abschluß ist wie ein kleiner Helm, ein Turmdach mit einer Metallspitze gedeckt. Bilger hat von dem grausilbrigen Blech, das auch die Standfläche der Stelen unterlegt, abgesehen, sowohl den Sockel als auch die Türme lasierend mit Weiß überzogen und dem Ganzen dadurch den Anstrich postmoderner Architekurmodelle verliehen. Daß diese Anordnung eine Platzsituation beschreibt, wird durch ein viertes Element erst eigentlich unterstrichen; denn im Zentrum der Bodenplatte erhebt sich vom Plateau eines abgetreppten Sockels eine vierte Stele. Niedriger als die anderen, trotz der erhöhten Position, dafür aus Glas, durchsichtig, ist sie im Innern mit geheimnisvoll filigranen Gebilden ausgestattet. Erst wenn der Betrachter - und nach der bisherigen dubiosen Konstruktion vermag dies immer nur einer - mit Hilfe eines altertümlichen Schlauches den elektrischen Kontakt herstellt, beginnt dieses Monurnent, seinen Zauber zu entfalten. In seinem Innern dreht es sich, flimmert und leuchtet, wundersame Töne rücken das ganze Ensemble in die unsichtbare Hülle feiner Klänge. Eine andere Skulptur simuliert statt der urbanen Situation ein gewerbliches Gelände. Wie in einer physikalischen Versuchsanordnung sind diesmal auf einer längsrechteckigen Bodenplatte zentralachsial die Stationen angebracht, die man zur Darstellung eines einfachen Bewegungsablaufes benötigt. Alles hängt sozusagen an einem dünnen Faden, respektive Draht. Er spannt sich durch das Öhr einer weit über mannshoch in Giraffenart gereckten Schlaufe, die der Stütze von vier gespreizten Beinchen zum Stand bedarf. Nun zieht ein Hebelarm am anderen Ende - auf die gehabte Weise in Betrieb gebracht - über zwei Führungstürme hin an dem besagten Draht die "Last", ein Wägelchen aus rohem Holz, auf einer schrägen Rampe auf und nieder. Der Reiz des Ganzen liegt weniger in der Demonstration und Wiederholung dieses schlichten Vorganges, als in der Poesie der einander zugeordneten Dinge. Auf dem weißen Brett wie auf einer treibenden Bohle im Wasser vereint und mehr in Aufsicht distanziert betrachtet, verstricken sie sich nicht in die unweigerlich tückischen Kettenreaktionen der Fischli-Weiss. Sie beschreiben einen leisen, weitschweifigen Zusammenhang und stellen dabei das kuriose Verhältnis von Aufwand und Resultat auf witzige Weise in Frage.
Dr. Katharina Schmidt